Über Schafwolle
Hier erfährst du,
warum Schafwolle ein tolles Material ist,
welche Eigenschaften sie hat
und wie sich die Wolle verschiedener Schafrassen unterscheidet.
![20230811_133649[1]_edited_edited.jpg](https://static.wixstatic.com/media/847a35_c4897f8b15c9452bb39546a9373ac60a~mv2.jpg/v1/fill/w_677,h_508,al_c,q_80,usm_0.66_1.00_0.01,enc_avif,quality_auto/20230811_133649%5B1%5D_edited_edited.jpg)
Ein gutes Wort für heimische Wolle
Mir blutet das Herz, wenn ich mir anschaue, wie es derzeit um den Wert von heimischer Wolle bestellt ist. Die Schur eines Schafes ist inzwischen deutlich teurer als der Ertrag, den ein Schäfer mit dem Verkauf des Vlieses erwirtschaften kann. Das heißt, die Schäfer zahlen drauf. Und zwar erheblich! Zwar gibt es bereits Initiativen, die bewusst auf die Verwendung heimischer Wolle setzen, aber die Nachfrage ist einfach noch zu gering, damit alle Schäfer davon profitieren könnten. Das Einkommen der Schäfer entsteht im Wesentlichen aus ihrer Aufgabe als Landschaftspfleger, weshalb einige Schäfer bereits Rassen halten, die gar keine Wolle liefern, ähnlich wie Ziegen. Auch das Fleisch und die Milch lassen sich vermarkten, aber Wolle, die ursprünglich mal die Haupteinnahmequelle war, gilt inzwischen eher als Schlachtabfall. Deshalb ist es auch nicht leicht, Wolle in größerem Stil gewaschen und aufbereitet zu kriegen. In Deutschland gibt es inzwischen keine einzige Wollwäscherei mehr. Eine Notlösung ist es dann noch, die Wolle zu Düngepellets zu verarbeiten. Das ist für manche Teile eines Wollvlieses, die sich nicht zum Spinnen oder Filzen eignen, eine sehr gute Idee. Aber das Allermeiste vom Vlies ist dafür viel zu schade!
Denn Schafwolle hat alle Eigenschaften, die man sich von einer Faser nur wünschen kann. Sie wärmt (ach nee!), ist atmungsaktiv, kann Feuchtigkeit gut aufnehmen, ist antibakteriell und schmutzabweisend, braucht also kaum gewaschen zu werden und es bildet sich beim Tragen kein Schweißgeruch. Und vor allem: Sie ist biologisch abbaubar. Es entsteht kein Mikroplastik, sondern im Gegenteil, Schafwolle ist ein prima Dünger. Wir hätten also eigentlich eine tolle Funktionsfaser, aber sie ist im Moment nicht viel mehr wert als Abfall.
Die zweite Sache, die ich nicht verstehen kann, ist die Fokussierung auf Merinowolle, und zwar auf australische. In unseren Breitengraden ist das Klima zu rau, um eine wirklich feine Faser zu erhalten, allerdings hat man hier die Züchtung wohl auch etwas vernachlässigt, weil man mit der billigeren Wolle von down under ohnehin nicht mithalten konnte. Natürlich ist ein superweicher, flauschiger Pullover eine schöne Sache und natürlich möchte ich keine Kratzwolle direkt auf der Haut tragen. ABER: Feine Wolle hält einfach nicht so lange wie etwas robustere. Und nicht alle Wolle, die nicht vom australischen Merinoschaf kommt, ist kratzig. Mir ist es ein großes Anliegen, Kleidung aus heimischen Fasern zu produzieren, die angenehm zu tragen und lange haltbar ist.
Dabei habe ich festgestellt, dass die etwas gröberen Fasern wie Coburger Fuchs, Jakobsschaf usw. viel interessanter sind und viel mehr eigenen Charakter haben als die irgendwie immer gleichen feineren Fasern von Merino, Rambouillet usw. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sie einmal auszuprobieren.
Fasereigenschaften
Bevor ich hier einige Schafrassen vorstelle, mit deren Wolle ich selbst schon Bekanntschaft machen konnte, möchte ich noch etwas sagen zu den Fasereigenschaften der verschiedenen Rassen.
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Faserarten: Das übliche Merinoschaf hat nur eine Art von Fasern, nämlich Wolle. Alle anderen Haararten wurden ihm weggezüchtet. Manche Schafrassen, sie werden als mischwollig bezeichnet, haben aber außer den Wollfasern noch so genannte Stichelhaare (engl. grimp) und dickere Deckhaare. Die eigentliche Wolle dieser Schafe sind dann nur die weichen Unterhaare. Die Deckhaare werden vor dem Spinnen meistens ausgekämmt oder aussortiert, so dass nur die feineren Fasern übrig bleiben. Bei den Stichelhaaren ist das Auskämmen aber sehr aufwändig und teilweise nicht möglich. Sie sind auf meinen Strickproben deutlich als andersfarbige, dickere Fasern erkennbar, sofern vorhanden. Und sie sind auch ein wesentlicher Grund dafür, dass sich manche Fasern eher kratzig anfühlen.
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Faserstärke: Die Dicke einer Faser wird in der Regel in Micron angegeben und bezeichnet den Faserdurchmesser. Der reicht von 12 Micron bei sehr feinen Fasern wie Angora bis zu etwa 40 Micron beim Steinschaf. Zum Vergleich: menschliche Haare haben etwa 70 Micron. Man kann also an der Micron-Zahl erkennen, ob es sich eher um eine feine, weiche oder um eine robustere Sorte handelt. Aber auch eine Wollsorte mit hoher Micron-Zahl kann sich relativ weich anfühlen, wenn sie keine Stichelhaare enthält.
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Faserlänge: Die Wolle der verschiedenen Schafrassen ist unterschiedlich lang. Da gibt es zunächst kein "Besser" oder "Schlechter", es ist beim Spinnen nur nützlich, wenn man weiß, womit man es zu tun hat, denn kürzere Fasern benötigen mehr Drall, damit der Faden nicht auseinanderfällt, längere halten auch mit weniger Drall und das Garn wird meist glatter. Außerdem richtet sich der Abstand der Ausziehhand und der Faserhand (die den Faservorrat hält) nach der Faserlänge: Je länger die Faser, umso größer der Abstand. Man spricht hier übrigens von Stapellänge. Diese kann man ermitteln, indem man aus dem Vlies oder dem Kammzug Fasern herauszieht und dann misst, wie lang sie im Durchschnitt sind. Die Stapellänge kann je nach Rasse wenige Zentimeter oder aber bis zu 30 cm betragen.
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Kräuselung: Wenn man sich einzelne Wollfasern genau anschaut, stellt man fest, dass sie eine unterschiedlich starke Wellenstruktur haben. Je mehr Wellen bzw. Kräuselung eine Faser hat, umso elastischer ist das daraus hergestellte Textil. Und es behält besser seine Form.
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Filzeigenschaften: Des einen Freud, des anderen Leid: die Tatsache, dass Wollsorten überhaupt und dann auch noch unterschiedlich leicht filzen. Faustregel: feinere Fasern filzen leichter als gröbere. Und Wolle filzt durch Temperaturschwankungen des Wassers und durch Reibung. Die Waschmaschine ist also eigentlich die ideale "Filzmaschine". Wer also nicht möchte, dass das selbst gestrickte Kleidungsstück nach der Wäsche bretthart ist und nur noch der Puppe passt, der sollte beim Einsatz der Waschmaschine mit Bedacht vorgehen!