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Warum Handarbeiten glücklich machen

  • kasara-garnideen
  • 3. Aug. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. März

Eines muss ich angesichts der Überschrift vorweg klarstellen: Ich glaube nicht, dass Handarbeiten in jedem Fall und unter allen Umständen glücklich machen. Zum einen braucht es dafür sicherlich ein gewisses Maß an persönlicher Neigung, und das hat vermutlich nicht jede/r. Wenn du also das Gefühl hast, dass dich Handarbeiten eher unglücklich machen, dann liegt das Glück für dich vielleicht woanders. Mehr beim Backen, Schreinern, Schreiben oder wo auch immer. Zum anderen braucht es auch ein gewisses Maß an Können und Sorgfalt, denn wenn am fertigen Stück überall die Vernähfäden heraushängen oder die Naht klumpig aussieht, dann hat sich das mit dem Glück auch schnell. Aber was uns heutzutage meiner Meinung nach doch in erheblichem Maße fehlt, ist etwas, das wir selbst gemacht haben und auf das wir stolz sein können.

Mir ist das unter anderem bewusst geworden, als ich mir einige Folgen der Serie "Handwerkskunst" des SWR angeschaut habe. (Gibt's auf Youtube: https://www.youtube.com/c/Handwerkskunst) Da wird mit sehr viel Sachverstand, Erfahrung und Akribie gebacken, genäht, gehobelt, geflochten und was noch alles, und heraus kommen lauter einmalige, besondere Einzelstücke. Der Stolz der Handwerker auf ihr Können ist immer unverkennbar. (Leider ist ausgerechnet die Folge über die Wollverarbeitung meiner Meinung nach etwas missraten, denn die handgesponnene Wolle, die dort hergestellt und verarbeitet wurde, ist für mich eher zum Abgewöhnen.) Und ich staune immer wieder über uralte Tongefäße aus der Jungsteinzeit, die über und über mit feinen Linien verziert sind, obwohl sie ohne jedes Dekor genauso verwendbar gewesen wären. Deshalb glaube ich, dass Gestaltung und eine ansprechende Optik von Gebrauchsgegenständen eine Art menschliches Urbedürfnis sind. Schon die Kelten haben Wolle gefärbt und zu Karostoffen verwebt, die man heute noch als schön empfinden kann. Das Befriedigende an früheren Produktionsprozessen und auch an vielen der Handwerkskunst-Produkte ist, dass der gesamte Produktionsprozess in einer Hand liegt. Es gibt keine Fertigbauteile, die man nur mal eben zusammenstecken muss. Der Handwerker braucht viel Wissen über das Material, das er verwendet, er muss die einzelnen Arbeitsschritte so gut beherrschen, dass er mit dem Ergebnis zufrieden sein kann und nicht dauernd Ausschuss produziert, und er braucht gestalterisches Können. Ich denke, das ist beim Handarbeiten nicht anders. Und nur dann kann es glücklich machen.

Andererseits fällt ja bekanntlich kein Meister vom Himmel und zu streng darf man mit sich auch nicht sein. Ein bisschen Übung braucht's halt schon. Und wenn dann mal was nur semi-gut gelingt, ist das kein Beinbruch. Zu lernen gibt's auf jeden Fall immer was.

Meine Großtante konnte sehr gut nähen, stricken und häkeln und hat mir einiges davon beigebracht. Noch heute bedauere ich oft, dass ich sie nicht mehr um Rat fragen kann. Als sie gestorben war, habe ich ihre Nähmaschine und ihre ganze Handarbeitsausrüstung geerbt und außerdem ein paar schwarze Fingerhandschuhe. Ich habe sie viel getragen und erst im zweiten Winter gemerkt, dass die Handschuhe an mehreren Stellen geflickt waren, und zwar großflächig und überaus sorgfältig. Ich flicke meine Stricksachen gelegentlich auch, aber das merkt man dann definitiv schon im ersten Winter... Wer also so viel Mühe in das Flicken steckt, zeigt damit ja auch die Wertschätzung für das Werkstück. Und das ist auch ein Aspekt des Handarbeits-Glückes: Dass man an den selbstgemachten Stücken hängt und sie erhalten möchte (sofern sie nicht, wie bei mir manchmal, gestalterisch total in die Hose gegangen sind). Und da wären wir dann auch wieder beim Thema Nachhaltigkeit.

Natürlich ist das Spinnen von Garnen im Zeitalter der industriellen Garnproduktion eine zutiefst uneffektive Tätigkeit. Jede Maschine schafft das, was ich in einem gewissen Zeitraum spinnen kann, in einem Bruchteil der Zeit und deutlich gleichmäßiger. Deshalb habe ich auch lange geglaubt, dass ich auf Spinnen keine Lust habe, weil sich das nicht lohnt. Aber die Sache ist die: Ich hatte keine Ahnung, wie befriedigend es ist, auch diesen Schritt auf dem Weg vom Schaf zum Pullover alleine hinzukriegen. Und mir wird dabei bewusst, dass die Menschen seit mehr als 6000 Jahren ALLE ihre Textilien von Hand gesponnen haben, und zwar bis vor wenigen Jahrhunderten nur und ausschließlich mit Handspindeln. Und sie haben mit einfachsten Rahmen daraus Kleidung gewebt, so wie ich jetzt. Das verbindet mich mit den Menschen aus vielen, vielen Generationen, die diese Techniken erfunden und bis zur Perfektion praktiziert haben.

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Leinenstoffe im "alten" Ägypten teilweise so fein gewesen seien, dass manch einer sich beschwert hat, sie seien zu unanständig, weil sie fast durchsichtig waren. Sowas mit modernen Maschinen hinzukriegen, ist keine besondere Kunst, aber mit Handspindeln und einfachen Webstühlen? Also ehrlich, das nötigt mir jede Menge Respekt ab! Und auch wenn ich das in dieser Perfektion nie hinkriegen werde, möchte ich diese alten Techniken doch erhalten und pflegen und damit das würdigen, was die Menschheit bisher geleistet hat. Es wäre doch zu schade, wenn all das textile Wissen aus Jahrtausenden der Faserverarbeitung gewissermaßen auf dem Altar des technischen Fortschrittes geopfert würde.

Sicher wirst du nicht alle deine Strick- und Webprojekte aus Wolle herstellen wollen, die du mit einer Handspindel gesponnen hast. Ich auch nicht. Diese Zeiten sind wohl definitiv vorbei. Aber das eine oder andere Projekt aus einer solchen Wolle macht einem doch sehr eindrücklich den Wert des Projektes bewusst, den es durch die industrielle Produktion, durch minderwertige, billige Materialien und kurzlebige Designs verloren hat.

Die meisten Tätigkeiten bei der Wollverarbeitung sind langwierig und monoton. Und genau das macht ihren Reiz aus. Für mich ist das die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen, den Kopf freizukriegen oder auch mal über etwas nachzudenken, in Ruhe Musik oder Podcasts zu hören oder auch einen Film zu schauen. Und zu e n t s c h l e u n i g e n. Darum glaube ich, dass Handarbeiten nicht nur glücklich machen, sondern auch gesund sind.

Nachtrag: Gerade habe ich mir bei Youtube eins von Chantimanous tollen Videos zum Spinnen angeschaut. Sie spricht darin mit einer Gästin, nämlich Claudia Pirsch von der Handspinngilde, über das Spinnen mit Handrocken. Wenn du dir das anschaust, wirst du feststellen, dass Claudia über das Spinnen mit der Spindel fast das selbe sagt wie ich oben. Scheint also was dran zu sein! ;-) Hier ist der Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=irtboP2Xpgs, ab Minute 18:00, der Rest ist aber auch interessant.

 
 

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