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Warum die Preisgestaltung bei Handarbeiten schwierig ist

  • kasara-garnideen
  • 23. Sept. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. März

Da ich mit meinen Handarbeiten deutlich über den Eigenbedarf hinaus produziere, möchte ich die Teile, die ich nicht selbst tragen oder verwenden kann, gerne verkaufen. Deshalb stellt sich mir natürlich die Frage der Preisgestaltung, und die ist echt nicht einfach! In meinem speziellen Fall habe ich das Glück, dass ich von meinen Handarbeiten nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Trotzdem möchte ich meine Produkte nicht unter Wert verkaufen und möchte mit meinen Preisen auch das, was andere produzieren, wertschätzen und nicht mit Dumpingpreisen unterbieten. Auf Kunsthandwerker- und ähnlichen Märkten sehe ich immer wieder handgestrickte Socken für 12 Euro, handgehäkelte Tücher für 30 Euro und ähnliche Preiskatastrophen. Das ist ja gerade mal der Preis fürs Material! Oder was wurde da für Billiggarn verarbeitet??

Auf der anderen Seite kann man natürlich auch nicht eine Art Stundenlohn ansetzen. Bei einem Mindestlohn von 12,81Euro (Stand Januar 2025) käme man für ein Paar Socken so etwa bei 120 bis 140 Euro raus. Aber mal ehrlich: Der Mindestlohn wurde für Arbeiten angesetzt, bei denen der Arbeitnehmer zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein muss und die Dinge tun muss, die dort von ihm verlangt werden. Er verkauft also praktisch seine Arbeitskraft. Das muss ich ja alles gar nicht. Ich kann mit Spinnen, Stricken oder Weben anfangen und aufhören, wann ich mag, ich kann mein Strickzeug in eine Tasche packen und mich damit in den Wald setzen oder eine Freundin besuchen, ich kann stricken, was mir persönlich gefällt. Ich finde, das ist eine andere Art Arbeit als die, für die man dann 12 Euro nochwas kriegt.

Aber von irgendwas leben muss der Mensch ja schließlich trotzdem. Und das Leben wird ja bekanntlich nicht billiger. Und da liegt meiner Meinung nach auch ein bisschen das Problem: Es ist ja nicht so, dass man zu früheren Zeiten, also bevor es Maschinen gab, mit Handarbeiten ungemein reich werden konnte. Im Gegenteil, häufig waren sie ein hart erarbeitetes Zubrot für bäuerliche Familien, die sonst nicht hätten überleben können. Mit dem Ertrag aus der selbst gesponnenen Wolle, den selbst gewebten Stoffen usw. wäre all das, was wir heute für unseren Unterhalt zu brauchen meinen, überhaupt nicht drin gewesen. So gab es zum Beispiel in der Regel keine Miete, denn es wurde in Naturalien bezahlt. Versicherungen, Internetanschluss, Auto oder Monatskarte für Öffis, Bücher, Restaurantbesuche, Reisen, Wegwerfmode kam alles nicht vor. Wenn wir heute auf all das auch verzichten würden, könnten wir von Handarbeiten ganz hervorragend leben, vermutlich sogar deutlich besser als in der vorindustriellen Zeit.

Interessant finde ich, dass die Zünfte früher eine Zeitlang die Verwendung von Spinnrädern verboten haben. Einerseits wohl, weil das damit gesponnene Garn als minderwertig galt, vor allem aber mit der Begründung, dass nicht eine Person eine Arbeit machen soll, von der auch zwei leben könnten. Das ist unserem heutigen Denken so diametral entgegengesetzt, dass man fast darüber lachen muss. Aber in Zeiten, in denen es Maschinen gibt, die mich mit meiner Handarbeit an Produktivität meilenweit hinter sich lassen, muss es ja doch noch einen anderen Maßstab geben als den, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel herzustellen, was sich möglichst teuer verkaufen lässt. Sonst bräuchte ich meine Spindel und die Stricknadeln gar nicht erst in die Hand zu nehmen.

Vielleicht sollte ich das Ganze mal von der anderen Seite aus betrachten, nämlich aus der Sicht der Käufer*innen. Was ist denen das wert, was ich da mache? Sind sie Preise gewöhnt, die auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruhen und fallen bei meinen "Handarbeitspreisen" in Ohnmacht? Oder wissen sie, wie viel Mühe und Sachverstand hinter meinen Produkten steckt, sind es leid, Kleidung aus zweifelhaften Quellen zu kaufen oder mit dem Wissen zu tragen, dass dafür Menschen leiden mussten? Wissen sie die lange Lebensdauer und die Zeitlosigkeit meiner Produkte zu schätzen? Vermutlich werde ich die Menschen, die wirklich jeden roten Heller zweimal umdrehen müssen, nicht als Kunden gewinnen können, denn ich kann sehr gut verstehen, dass man dann doch lieber zur Billigware greift und hofft, dass sie einigermaßen lange hält. Und eigentlich möchte ich auch nicht unbedingt diejenigen erreichen, die sich ohne groß nachzudenken einfach alles kaufen können, was ihnen gerade so in den Sinn kommt. Ich würde mir wünschen, dass sich meine Kunden bewusst für meine Stücke, damit aber auch bewusst gegen andere Stücke entscheiden. Also lieber einen handgestrickten Pullover aus heimischer Wolle bei mir kaufen als drei andere "woanders" (damit meine ich jetzt natürlich nicht die handstrickende "Konkurrenz"!).

Neulich habe ich mich mit einer Handweberein unterhalten, die sehr schöne Röcke webt und sie für über 300 Euro verkauft. Sie hat mir erzählt, dass ihr eine Kundin einen bei ihr gekauften Rock zur Reparatur vorbeigebracht hat, weil der Gummibund etwas ausgeleiert war. Ein neuer Bund war kein Problem, der Rest des Rockes noch gut erhalten. Er war fast 30 Jahre alt. Das macht um die 10 Euro "Rockkosten" pro Jahr. Also ein totales Schnäppchen. Das funktioniert aber nur, wenn der Rock so aussieht, dass man ihn nach 30 Jahren auch noch gerne anzieht. Und wenn er so gearbeitet ist, dass er die 30 Jahre durchhält.

Demnach müssen meine Preise also so gestaltet werden, dass die Kleidungsstücke sich im Laufe ihrer Lebensdauer eben doch rechnen. Sie können und sollen nicht mit Wegwerfmode konkurrieren und auch nicht ein Exklusivitätsmerkmal darstellen, sondern sollen eine erschwingliche, nachhaltige Alternative sein.

Ich kann natürlich nicht beeinflussen, was und wie viel die Leute kaufen, aber interessant finde ich dann doch mein eigenes Beispiel: Ich habe in diesem Sommer (2023) vier Modelle für meinen Store gestrickt und gehäkelt: Einen Rock mit passendem Pulli und ein kurzes Kleid mit einer Bolerojacke. Ich würde mal behaupten, dass ich während mehr als der Hälfte der Zeit in diesem Sommer nur diese vier Kleidungsstücke anhatte. (Ich habe die Tage nicht gezählt, das ist ein gefühlter Wert.) Sie sind so geschnitten, dass man sie nicht dauernd waschen muss, ich fühle mich mit ihnen gut angezogen, sie sind aufeinander abgestimmt, so dass ich nicht lange nachdenken musste, was dazu passt. Nun ist der Sommer rum, aber die Teile sehen noch aus wie neu. Vor drei Jahren habe ich mir im Sommer zwei Röcke mit passenden T-Shirts gekauft, die waren nicht billig und sehr schön designt. Aber die Stoffe sind inzwischen stellenweise so ausgeblichen, dass ich die Teile kaum mehr anziehen kann. Und ich hatte sie nicht so oft an wie meine Stücke aus diesem Sommer. Das war verglichen mit meiner Eigenproduktion ein teurer Spaß! Brauch ich nicht mehr!

Ich würde mir sehr wünschen, dass das neue Bewusstsein für Qualität, das sich im Moment zu entwickeln scheint, vor allem im Textilbereich weiter um sich greift. Nicht nur, weil ich damit mehr Geld verdienen könnte, sondern vor allem, weil die Missstände in diesem Bereich so besonders himmelschreiend sind. Ich finde, das müssen wir ändern!

 
 

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