Nachhaltig handarbeiten - wie geht das und wozu soll das gut sein?
- kasara-garnideen
- 24. Juli 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. März
In letzter Zeit habe ich auf Youtube mal geschaut, was die Handarbeits-Szene so treibt. Was mich dabei echt nachdenklich macht, ist die Masse an Zeug, die da produziert wird. Zehn, zwölf Pullover pro Jahr waren da zum Teil geboten. Ich frage mich: Wer trägt das alles?? Und was machen die Frauen nächstes Jahr???
Ich hab ja ehrlich gesagt ein ähnliches Problem: Ich stricke schneller als ich auftragen kann. Viel schneller! Da ist das Spinnen eine feine Sache, es bremst das Produktionstempo erheblich. In diesem Zusammenhang ist mir auch klar geworden, warum Handarbeiten früher so viel aufwändiger waren als heute. Was hätten die Frauen auch sonst machen sollen? Ohne elektrisches Licht, Fernsehen, Bücher usw.? Da war jeden Abend eine Menge Zeit, vor allem im Winter. Und für eine textile Massenproduktion war weder Geld noch Bedarf. Also war es durchaus sinnvoll, sich mit den einzelnen Stücken wirklich Mühe zu geben, zumal sie ja oft auch lange halten mussten. Ich finde, davon könnte man sich glatt eine Scheibe abschneiden. Ein mit viel Liebe hergestelltes Teil landet schließlich viel weniger schnell im Kleidersack als ein Naja-Teil. Gleiches gilt für Material und Farbe: Was wirklich gut und wertvoll ist, macht Freude, Schrottwolle nicht, egal, was man draus macht.
Angesichts der textilen Überproduktion und der Altkleiderberge in Deutschland muss man sich ja schon fragen, ob es nicht nachhaltiger wäre, Kleidung anzuziehen, die längst produziert wurde, und nicht noch neue zu machen. Aber ganz ehrlich: Ich finde in den Second-Hand-Läden einfach nicht das, was ich gerne anziehen würde. Und es täte mir leid um mein Hobby. Das mag ich nicht aufgeben.
Hier also meine Überlegungen, was man tun kann, damit Handarbeiten möglichst nachhaltig wird:
Langlebige Stücke produzieren, indem nur wirklich hochwertiges Garn verwendet wird. Besonders langlebig sind übrigens Strickstücke aus nicht ganz so weicher Wolle.
Langlebig wird ein Stück auch dadurch, dass es kein "modisches Mätzchen" ist, das im ersten Moment zwar originell erscheint, sich in der Praxis dann aber doch nicht bewährt. Ich steh da ehrlich gesagt mehr auf klassische Schnitte, die immer gut aussehen, egal, was grad angesagt ist.
Am längsten trage ich Sachen, die wirklich gut passen und in denen ich mich deshalb auch wohlfühle. Also lohnt es sich, über die Passform und den Schnitt im Vorfeld gut nachzudenken. Und im Zweifel lieber nochmal aufzuribbeln, falls das Teil nicht den Plänen entspricht.
Inzwischen gibt es auch Recyclinggarne aus Wolle oder Baumwolle, bei denen Reste aus der Textilproduktion verarbeitet werden. Eine Bezugsquelle findest du zum Beispiel hier.
Wenn man mit jedem Stück einer anderen farblichen Laune folgt, hat man am Ende jede Menge Kleidungsstücke im Schrank, die dann aber nicht zueinander passen. In meinem Kleiderschrank ist das leider ein bisschen so. Mir fehlt ein klares Farbkonzept, an das ich neue Teile anpassen kann. Für uns wollverarbeitende Handwerker*innen bieten sich die Farben naturweiß, beige, braun oder grau als Basisfarben ja direkt an. Damit sinkt der Anteil von zu färbenden Fasern gleich schon mal und man kann die Grundfarben immer wieder neu mit gefärbten Garnen kombinieren.
Bei dem riesigen Angebot an Garnen passiert es schnell, dass jedes Strickstück aus einem anderen Garn gestrickt wird. Und am Ende hat man jede Menge Reste, die nicht zusammenpassen. Sinnvoller wäre es, sich auf wenige Lieblingsgarne zu beschränken und daraus Stücke in immer wieder anderen Farben zu fertigen. Die Reste, die dann übrigbleiben, lassen sich prima zum Musterstricken, für Ränder, Spitzen, Streifen oder was auch immer verwenden und neu kombinieren. Außerdem lernt man dadurch die Eigenschaften des Garnes gut kennen und erlebt keine bösen Überraschungen.
Wobei Reste an sich nichts Schlimmes sind. Einen halben Knäuel von jedem Projekt etwa sollte man sich auf jeden Fall aufheben, bis das Kleidungsstück wirklich in die ewigen Jagdgründe wandert. Denn bis dahin lässt sich mit dem Rest noch so manches retten: Eine Rüsche oder Spitze an einen zu kurz geratenen Ärmel ansetzen, einen ausgeleierten Ausschnitt mit festen Maschen umhäkeln, Flicken stricken für zu dünn gewordene Ellbogen, Löcher stopfen sowieso. Das wären so die lebensverlängernden Maßnahmen, die mir spontan einfallen.
Um eine Überproduktion an Socken, Schals und Pullovern zu verhindern, lohnt es sich, auch mal ungewöhnliche Projekte in Angriff zu nehmen. Zum Beispiel Röcke, Hosen, Unterhemden und ähnliches. Geht alles!
Eigentlich braucht man im Jahresverlauf deutlich mehr feine Stricksachen als dicke Pullover. Deshalb stricke ich am liebsten mit Nadelstärke 2,5 oder 3. Das dauert entsprechend länger, aber von den fertigen Stücken habe ich mehr als von Pullovern, die ich mit Nadelstärke 5 gestrickt habe und nur selten anziehen kann.
Und wie gesagt, dann noch das entsprechende Garn selber spinnen - dann ist eine Überproduktion schon kaum mehr zu schaffen. Und wenn doch: Verkaufen oder verschenken hilft!