Meine Gedanken zu Nachhaltigkeit und Mode
- kasara-garnideen
- 24. Juli 2023
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. März
Ich stricke, seit ich es in der Grundschule gelernt habe, und das ist schon einige Jahrzehnte her. Und ich bilde mir ein, dass ich ziemlich gut stricken kann. Am liebsten stricke ich nach eigenen Entwürfen, für die ich inzwischen auch Anleitungen schreibe. Dabei habe ich einige Stücke entworfen, auf die ich echt stolz bin und die mir auch noch nach längerem Tragen gefallen.
Aber es gibt auch immer wieder Stücke, da habe ich schon beim Herstellen meine Zweifel und ich geb's zu: Es passiert manchmal immer noch, dass etwas misslingt und ein Teil dann jahrelang ungetragen im Schrank liegt. So was ärgert mich saumäßig und hat mit Nachhaltigkeit nun wirklich gar nichts zu tun. Aber was läuft da schief?
Eine Zeitlang hatte ich nicht viel Geld und habe deshalb möglichst günstige Wolle gekauft. Die war dann halt auch entsprechend. Die Farben meistens zu kräftig und das Material zu langweilig. Oder mit zu viel Kunstfaser, so dass ich beim Tragen gefühlt in dem Zeug erstickt bin.
Und dann waren meine Schnitte einfach oft 08/15. Ich steh eigentlich nicht auf "normale" Pullover, im Grunde habe ich von einem ganz anderen Stil geträumt und mich nicht getraut, den dann auch wirklich umzusetzen. Drum waren meine Sachen oft irgendwie halbgar und unbefriedigend. So geht nachhaltiges Stricken also eindeutig nicht!
Wie aber dann? Klar könnte man das halbgare Zeug trotzdem anziehen, aber ich mag das nicht, ich fühle mich da nicht wohl. Also, was tun, um solche Fehlschläge in Zukunft zu vermeiden? Wieder mal guck ich für die Antwort nach hinten, nämlich in historische Zeiten. Bis vor wenigen (ich meine wirklich WENIGEN!) Jahren konnte es sich der Normalmensch schlicht und einfach nicht leisten, Wegwerfkleidung zu kaufen und jedes Jahr einen anderen Modestil zu praktizieren. Im Gegenteil! Was man genäht, gewebt und gestrickt hat, musste passen und so aussehen, dass man es auch nach Jahren noch gerne anzog. In einem Freilichtmuseum habe ich mal die Inventarliste einer Bäuerin gelesen, die ich jetzt ohne Gewähr aus dem Gedächtnis zitiere: Bei ihrer Hochzeit befanden sich unter anderem ein blauer, ein schwarzer und ein brauner Rock in ihrem Besitz. Als sie starb, besaß sie einen blauen, einen schwarzen und einen braunen Rock. Es stand nicht da, aber man kann es sich denken: Es waren vermutlich die selben drei Röcke.
Nein, ich möchte nicht zurück in die Steinzeit und ich möchte auch nicht die Sachen anziehen müssen, die ich schon vor 30 Jahren hatte. Aber ein bisschen was lernen kann man schon aus dem, wie es früher war:
Was man für wirklich nachhaltige Kleidung braucht, sind zunächst mal hochwertige Materialien, die was aushalten. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren das hauptsächlich Leinen und Wolle. Also Augen auf bei der Materialauswahl! Wie lange macht es die Superflausch-Wolle wohl in der Praxis? Wann macht der Elasthan-Anteil im Jersey schlapp? Wann kann man den Pullover aus Kunstfaser wirklich anziehen, ohne Schweißausbrüche zu kriegen?
Manche Schnitte, Farben und Muster sind eine Weile ganz nett, aber irgendwann kann man sie nicht mehr sehen, weil sie "out" sind. Die Stoffe aus den 60er-Jahren waren damals total schick (man erinnert sich: viele Linien-, Kreis- und Blumenmuster in orange und braun), sind heute wieder retro-in, aber zwischendurch waren sie unerträglich. Nachhaltig geht also nur mit Designs, die zeitlos gut sind. Und das sind in der Regel eher "leise" Muster und dezente Farben. Oder gar keine Farben. Also lieber weniger Muster, Streifen und Farbflächen, dafür zeitlose Verzierungen wie Bordüren, Spitzen oder wenige schmale, dezente Streifen. Oder was einem dazu sonst noch so einfällt.
Ich staune immer wieder über die Hosenmode der jungen Leute. Eine Zeitlang tragen sie ihre eigentlich viel zu weiten Jeans so weit unten in den Kniekehlen, dass sie kaum mehr die Treppe hoch kommen, dann wieder ist der Bund so tief, dass der Reißverschluss nur noch 3 cm lang ist und selbst die schlanksten Mädchen noch einen Schwimmring kriegen, (In einem Zeit-Artikel habe ich gelesen, dass es sich bei diesen Hosen um Low-Rise-Jeans handelt. Aha!) und plötzlich reicht der Hosenbund hoch bis knapp unter die Brust (Das nennt sich wohl High-Waist-Jeans.) und die Hosen sind so eng geschnitten, dass man zu gerne einmal dabei zusehen möchte, wie man in so ein Ding überhaupt reinkommt. Das Ganze passiert bei allen Jugendlichen simultan und quasi über Nacht und ich frage mich jedes Mal: Wo sind die Hosen von gestern??? Die sterben von einem Tag auf den anderen aus. Nachhaltige Mode geht also nur mit zeitlosen Schnitten, die sozusagen über den Dingen stehen. Und vor allem: In denen man sich wirklich wohl fühlt, die einem stehen und passen, die dem eigenen Stil entsprechen. Und laut Diskussion unter dem Zeit-Artikel gehören weder die Low-Rise- noch die Mom-Jeans dazu. Aber sich von Modetrends unabhängig zu machen, ist gar nicht so einfach, denn kauf mal 'ne Jeans, die NICHT dem aktuellen Trend entspricht! Die gibt es dann halt höchstens second hand. Vor einigen Jahren waren Tuniken mit Unterbrustnaht und A-Linie sehr modern und ich finde, dass sie vielen Frauen sehr gut gestanden haben. Trotzdem sind sie leider eine Modeerscheinung geblieben und man sieht sie fast gar nicht mehr. Andererseits haben Dirndl auch schon vor 20-30 Jahren sehr gut ausgesehen, aber sie zu tragen war kaum denkbar, sofern man nicht bewusst Tracht tragen wollte. Heute kann man sich zum Glück auch wieder im Dirndl auf die Straße trauen. Vielleicht ist ja ein Aspekt von Nachhaltigkeit auch, sich von modischen Trends unabhängig zu machen. Mir persönlich stehen zum Beispiel enge Hosen überhaupt nicht und ich trage inzwischen meist auch dann Hosen mit weiten Beinen, wenn das gerade nicht Mode ist.
Diese Überlegungen liegen auch meinen Entwürfen zugrunde. Ich versuche damit meinen eigenen Stil auszudrücken und entwerfe das, was ich selber gerne anziehe. Vielleicht findest du dich darin ebenfalls wieder, vielleicht aber auch nicht. Dann kann ich dir nur raten, dich an eigene Entwürfe zu wagen, die deine Persönlichkeit ausdrücken und die wirklich zu dir passen. Und ich denke, es lohnt sich, dir vorher gut zu überlegen, wie zeitlos und langlebig das Material ist, das du verwenden möchtest und ob dir der Schnitt auch in einigen Jahren noch gefallen und stehen wird.