Meine Spinnausrüstung
Es ist wie so oft im Leben: Entweder kostet eine Sache Zeit oder sie kostet Geld. Deshalb werde ich dir hier (fast) immer die Low-Budget- und die Muss-schnell-gehen-Version meiner Spinnausrüstung vorstellen.
Low Budget-Ausstattung
Spindel oder Spinnrad?
Da geht's ja schon los mit den Preisunterschieden! Wobei ich mal kühn behaupten würde, dass ein Spinnrad nicht um so viel schneller ist wie es teurer ist als eine Spindel.
Ein Spinnrad kostet neu ab 400 Euro aufwärts, eine Handspindel gibt es schon ab knapp über 10 Euro. Im Zweifel kann man sie sogar selber bauen. (Eine Anleitung gibt es auf Chantimanous Youtube-Kanal.) Dass das Spinnen mit dem Spinnrad schneller geht, ist klar, denn hier laufen das Ausziehen der Fasern und das Aufwickeln parallel, während man bei der Spindel nur eines nach dem anderen machen kann. Vierzig mal langsamer ist das trotzdem nicht. Der Vorteil von Handspindeln ist naheliegend: Man kann sie leicht überall hin mitnehmen, was für zusätzliche "Spinnzeit" sorgt.

Hand- und Fußspindeln
Wie schon an anderer Stelle erwähnt: Die Handspindel war Jahrtausende lang und bis vor wenigen Jahrhunderten das einzige Spinnwerkzeug. Deshalb würde ich dir auf jeden Fall raten, sie einmal auszuprobieren. Man muss dann vielleicht nur aufpassen, dass man nicht in eine Art Sammelwahn verfällt, denn es gibt wirklich sehr schöne und sehr vielfältige Spindeln. Das wird dann irgendwann auch teuer. Denn du hast die Wahl zwischen Kopfspindeln, Fußspindeln, Kreuzspindeln, Fallspindeln, Hochwirtelspindeln, Tiefwirtelspindeln, unterstützten Spindeln, um mal einige zu nennen. Bringen wir mal Ordnung in das Chaos: Alle diese genannten Spindeln sind Handspindeln (also auch die Fußspindel...), weil sie von Hand betrieben werden. Sie unterscheiden sich zuerst darin, ob der Wirtel oben an der Spindel befestigt ist (Kopfspindel oder Hochwirtelspindel, im Bild links) oder eben unten (Fußspindel oder Tiefwirtelspindel, alle anderen auf dem Bild). Dann ist die Frage, ob sich die Spindel beim Gebrauch frei in der Luft dreht (Fallspindel) oder ob sie dabei auf dem Boden oder in einer Schale steht (unterstützte Spindel, engl. supported spindle). Letztere ist zum Spinnen sehr feiner Garne hilfreich, da kein Zug auf die Fasern ausgeübt wird und die Garne dann nicht so leicht reißen. Die Kreuzspindel (türkische Spindel) ist insofern praktisch, als das Garn so um die Spindel gewickelt wird, dass man es als fertiges Knäuel vom Spindelstab abziehen kann. Diese Spindeln sind also zerlegbar (ich besitze leider keine). Grundsätzlich gilt, dass man nicht alle Arten von Fasern mit ein und der selben Spindel wirklich gut spinnen kann. Ein gewisses Maß an Sammelleidenschaft ist also durchaus angebracht. Unterschiedlich schwere und unterschiedlich schnell drehende Spindeln sind für unterschiedliche Zwecke sinnvoll. Mehr Informationen dazu findest du im Spinnlexikon unter dem Stichwort "Wirtel".

Spinnrad
Eines der alten Spinnräder, die es für wenig Geld in größeren Mengen bei Kleinanzeigen zu kaufen gibt, würde ich dir nur eingeschränkt empfehlen, da es sich häufig um Flachsspinnräder handelt, deren Einzugsloch für Wolle zu klein ist, da sie häufig nicht rund laufen und das Treten mühsam ist, da es kein Zubehör mehr gibt und sie machmal überhaupt eher zu Dekozwecken dienen.
Beim Kauf eines Spinnrades gibt es einziges zu bedenken, weshalb es sicher nicht schadet, wenn du es vorher ausprobieren kannst. Dann kannst du herausfinden, was dir liegt und was nicht:
-
Es gibt Räder mit einem Tritt, bei denen ein Fuß tritt und der andere ausruht, oder welche mit Doppeltritt, bei denen beide Füße abwechselnd treten. Letzteres sorgt für eine symmetrischere Körperhaltung, weniger Ermüdung und weniger "toten Punkt" bei der Umdrehung des Schwungrades. (Preisfrage: Wie viele Tritte hat mein Spinnrad?)
-
Spinnräder brauchen immer eine Bremse, damit sich die Spule und der Spinnflügel nicht gleich schnell drehen, sonst könnte sich der Faden nicht auf die Spule wickeln. Also wird entweder die Spule gebremst oder der Flügel. Bei der Spulenbremse läuft ein Faden über eine Rille in der Spule und kann durch eine Feder reguliert werden, bei der Flügelbremse liegt ein Riemen über dem Einzugsloch, der fester oder lockerer gedreht werden kann. Meine Erfahrung ist, dass die "Feinjustierung" beim spulengebremsten Rad (siehe das Modell auf dem Foto) leichter ist.
-
Der Antriebsriemen des Spinnrades ist heute oft aus Kunststoff (z.B. Polycord) und damit etwas elastisch. Darum gibt es bei Spinnrädern mit solch einem Riemen keine Stellschraube für die Spannungsregulierung. Ältere Spinnräder und solche mit einem nicht elastischen Riemen bzw. einer feineren Schnur haben eine solche Spannungsregulierung. Der Antrieb ist dabei häufig zweifädig, das heißt, der Riemen läuft zweimal über das Antriebsrad und von dort einmal auf den Wirtel und einmal auf die Spule. Mein Spinnrad ist einfädig und hat einen Polycord-Riemen.
-
Bei der Bauweise unterscheidet man zwischen Böcken und Ziegen, wobei ich mir schwer merken kann, was was ist, die Begriffe erschließen sich mir nicht so recht aus der Form. Ich hab also sicherheitshalber nachgeschaut: Eine Ziege ist ein Spinnrad, bei dem die Spule eher neben dem Schwungrad angebracht ist (Beispiel: "Symphonie" von Kromski), der Bock hat die Spule über dem Schwungrad (Beispiel: "Minstrel" oder "Fantasia" von Kromski). Da ist die Wahl sicherlich vor allem Geschmackssache, wobei Ziegen tendenziell mehr Platz brauchen als Böcke.
-
Was ich an meinem Spinnrad mag, sind die so genannten sliding hooks, also die verschiebbaren Haken am Spinnflügel. Bei vielen Spinnrädern gibt es mehrere eingeschraubte Haken, über die der Spinnfaden geführt wird und immer wieder verschoben werden muss, damit die Spule gleichmäßig gefüllt wird. Durch die beweglichen Ösen verheddert sich der Faden nicht so leicht und die Spule kann dichter bewickelt werden, so dass mehr draufpasst.

Rocken und Kunkel
Auf alten Bildern, auf denen Spinnerinnen zu sehen sind, haben diese oft in der einen Hand eine Spindel und in der anderen einen Spinnrocken. Das ist ein Stab, den man entweder in der Hand hält, dann ist er relativ kurz, den man sich in den Gürtel stecken kann, dann ist er länger und nennt sich Gürtelrocken, oder den man neben sich auf den Boden stellen kann, dann ist er noch länger, hat einen Fuß und heißt Standrocken. Eine andere Version ist die Fingerkunkel (siehe Foto), dann ist am unteren Ende des Stabes ein Loch, durch das man einen Finger stecken kann. Das verhindert, dass man mit der Hand in Richtung Fasern rutscht.
Alle diese Geräte kann man kaufen. Man kann aber auch einfach einen nicht zu dünnen Ast suchen, ihn sauber abschälen und die Fasern drumwickeln. Fertig. Und kost nix. Man kann natürlich auch ohne Rocken spinnen, aber praktisch sind sie schon, denn dann muss man die Fasern nicht in der Hand halten und man läuft nicht Gefahr, dass sie sich mit dem Spinnfaden verwickeln. Außerdem lassen sich die Fasern schön gleichmäßig ausziehen, weil sie auf dem Rocken schon vorgezogen und ordentlich gewickelt sind.
Wer mit dem Spinnrad spinnt, braucht so einen Rocken allerdings nur für das Spinnen von Flachs, da die Flachsfasern sehr lang sind.


Lazy Kate bzw. Spulen-/Spindelhalter
Wenn du mit Handspindeln spinnst, muss der gesponnene Faden irgendwie wieder von der Spindel runter und verzwirnt werden. Damit dir die Spindeln nicht überall herumkullern, brauchst du eine Vorrichtung, in die du sie einhängen kannst, damit sie nicht wegrollen oder sich miteinander verheddern, in der sie sich aber trotzdem frei drehen können. Ich habe dafür einen alten Schuhkarton umfunktioniert. Bei Nichtgebrauch ist er die Aufbewahrungsbox für meine Spindeln und was sonst noch so dazugehört. (Unter anderem ein Plastikstrohhalm, den ich über meine zu kurze Spindel stecken kann, damit sie nicht aus den Klammern fällt, im Foto links zu sehen.) Voll billig und voll funktionsfähig. Es gibt solche Spindelhalter auch zu kaufen, aber das kostet halt. https://www.spindelstübchen.com/Lazy-Kate (Leider lässt sich die Adresse nicht verlinken, sie ist aber korrekt. Am besten gibst du sie einfach von Hand ein.)
Bei modernen Spinnrädern ist häufig eine Lazy Kate bereits eingebaut. An meinem Spinnrad besteht sie aus zwei Metallstäben, die ich links und rechts der Pedale in die Querstrebe einstecken und wo ich meine Spulen draufstecken kann. Beim Reisespinnrad auf dem Foto kann die Lazy Kate eingeklappt und die Stäbe können entfernt werden. Wenn du mehr als zwei Fäden verzwirnen willst oder die Spulen anders platzieren möchtest (damit die Beine nicht so im Weg sind), gibt es auch separate Lazy-Kates für Spulen zu kaufen.

Niddy Noddy bzw. Kreuzhaspel
Um das fertig gesponnene Garn zu einem Strang zu wickeln, brauchst du im preiswertesten Fall deinen angewinkelten Unterarm. Du kannst das Garn in der Hand festhalten und dann um deine Hand und deinen Ellbogen wickeln. Die zweitgünstigste Version wäre ein Niddy-Noddy, auf Deutsch eine Kreuzhaspel. Das ist ein Stab mit zwei Querstreben oben und unten, die überkreuz aufgesteckt werden, bei Nichtgebrauch aber auch "flachgelegt" werden können. Der gewickelte Strang ist dann etwa doppelt so lang wie der Stab. Kreuzhaspeln gibt es in verschiedenen Größen. Ich besitze eine mit 45 cm Länge, auf die ich Garne von den Spinnradspulen wickle, und eine mit 30 cm Länge für die Garne von den Spindeln (siehe Foto).
Eine noch teurere Wickelvariante ist die Schirmhaspel, die man aber eigentlich eher erst später einsetzt, nämlich um die gewaschenen Stränge zu Knäueln zu wickeln. Wenn die Schirmhaspel eine Kurbel hat, kann man mit ihr aber theoretisch auch Stränge wickeln. Die Kreuzhaspeln sind aber dafür praktischer, weil man sie nicht befestigen muss.
Hier sind wir jetzt an einem Punkt, wo wir den Bereich der "must haves" verlassen. Wenn du nur fertig aufbereitete Fasern verarbeiten möchtest und dich mit den im Handel angebotenen Farben zufrieden gibst, hast du nun schon alles, was du brauchst. Die Kosten für eine Spinnausrüstung gehen also bei einer selbst gebauten Spindel, einem selbst zurechtgeschnitzten Rocken, besagtem Unterarm statt der Kreuzhaspel und einem lieben Mitmenschen als Stranghalter so ungefähr gegen Null. Mit ein bis zwei gekauften Spindeln, einer Fingerkunkel und einer Kreuzhaspel kommst du mit unter 100 Euro davon.
Wenns ein bisschen mehr kosten darf: Ich LIEBE meinen Wollwickler und meine Schirmhaspel, wobei ersterer leider aus Plastik ist:


Very nice to have:
Schirmhaspel und Knäuelwickler oder Nostepinne
Vielleicht hast du es ja schon bemerkt: Wer spinnt, wickelt auch recht häufig. Und wickeln geht - das beweist meine jahrzehntelange Erfahrung - mit Stuhllehnen, Hockerbeinen, Armen von hilfsbereiten Mitmenschen und ähnlichem. Aber den Strang auf die Schirmhaspel zu spannen, die man immer auf die richtige Größe einstellen kann, und das Garn dann in null komma nix zu einem optisch ansprechenden und dazu auch noch stapelbaren Knäuel zu wickeln, das man dann auch noch von der Mitte aus abstricken kann, ohne dass es herumkullert oder dessen beide Enden man miteinander verzwirnen kann - das hat halt echt was! Und auch das geht mit einem ganz einfachen Werkzeug, das nicht viel mehr ist als ein etwas dickerer, leicht konischer Stab. Das Wickeln mit diesem Ding - es nennt sich Nostepinne und posiert auf dem oberen Foto - geht, man ahnt es schon, nicht wirklich schnell. Aber es ist sehr meditativ. Also: Wenn du Purist*in bist, dann nimm die Finger oder die Nostepinne zum Knäuelwickeln, allen anderen rate ich zu Schirmhaspel und Knäuelwickler. Kostenpunkt: etwa 100 Euro, sofern der Wickler aus Plastik ist. Nostepinnen gibt es schon für um die 15 Euro.
Möglicherweise möchtest du nicht nur fertige Fasern verarbeiten, sondern auch Fasern und Farben mischen oder sogar Rohwolle selbst aufbereiten. Dann braucht es noch ein bisschen mehr an Ausrüstung. Auch hier gibt's wieder schnell und teuer oder langsamer und preiswert:


Handkarden oder Kardiergerät
Beide Werkzeuge eignen sich sowohl für das Mischen von Farben und Fasern als auch für die Aufbereitung von gewaschener Rohwolle. Man kann Wolle theoretisch auch direkt ab Schaf spinnen, aber komfortabel ist das nicht. Darum werden Fasern vor dem Spinnen gekämmt (in eine Richtung ausgerichtet) oder kardiert (mit benadelten Bürsten aufgelockert). Diese Bürsten sind entweder auf zwei Brettchen mit Griff befestigt, das wären dann Handkarden (zu sehen im oberen Foto), oder sie befinden sich auf zwei unterschiedlich großen Trommeln, die in einem Holzgestell verankert sind und eine Kurbel dran haben, das wäre dann eine Kardiermaschine bzw. ein Kardiergerät, zu sehen auf dem unteren Foto.
Das Kardiergerät ist in der Regel eine Anschaffung in der preislichen Größenordnung des Spinnrades, will also gut überlegt sein. Aber für größere zu verarbeitende Fasermengen sicherlich eine gute Idee, denn die Verarbeitung mit Handkarden dauert halt schon echt lange!

Blending Board
Ein Kompromiss wäre unter Umständen die Anschaffung eines Blending Boards, die sich aber meiner Meinung nach nur lohnt, wenn ein Kardiergerät gar nicht in Frage kommt. Das Blending Board ist ein größeres, benadeltes Brett und dient zum Mischen von Farben, wie der Name schon sagt. Dabei können die Farben nicht so fein durchmischt werden wie mit der Kardiermaschine, die Einzelfarben bleiben also mehr oder weniger stark erkennbar. Von tweedartigen Garnen bis zu Farbverlaufsgarnen ist aber vieles möglich.
Funktionieren tut das Ganze so: Man fährt mit den verschiedenen Fasern so über das Brett, dass die Fasern an den Nadeln hängen bleiben und eine gleichmäßig dicke Faserschicht entsteht. Zwischendurch werden die Fasern mit der Bürste (ist leider auf dem Foto nicht ganz drauf) zwischen die Nadeln gebürstet, damit mehr draufpasst. Wenn genug Fasern eingearbeitet wurden, klemmt man die Faserenden am unteren Ende des Brettes zwischen die beiden Stäbe, zieht an den Fasern und wickelt sie gleichzeitig um die Stäbe. Zwischendurch schiebt man die Rollen von den Stäben und setzt neu an. So entstehen so genannte Rolags, eine Art "Spinnwürste", die sich besonders gut im langen Auszug verspinnen lassen.
Ich denke mal, das war's im Wesentlichen. Gefärbt ist jetzt allerdings noch nix. Aber da es sich bei allem, was man zum Färben braucht, um gewöhnliche Haushaltsgegenstände handelt (Topf, Sieb, Spritzflaschen, Gläser und ähnliches), fällt das nicht ins Kapitel Spinnausrüstung.
Ich hoffe, ich habe nichts Wichtiges vergessen. Sicherlich gibt es noch das eine oder andere, über dessen Anschaffung man nachdenken könnte, aber es muss ja nicht gleich alles auf einmal sein!